In der Schule und in den Medien wird manchmal der Eindruck erweckt, alle Indianer lebten in Häusern, die “Ocas” heißen und zu kreisförmigen Dörfern angeordnet seien. Manche indigene Völker leben tatsächlich in solchen Häusern, aber daneben gibt es noch viel mehr Arten des Hausbaus, je nach Umgebung und Kultur des jeweiligen Volkes.
Weisst Du, was „eine Oca“ ist?
- „Oca“ ist einer der Begriffe für die indigenen Häuser. Das Wort stammt aus den Tupi Sprachen.
Wie sehen Häuser in den indigenen Dörfern aus?
Es gibt einige Unterschiede darin, wie die verschiedenen indigenen Völker ihre Häuser bauen. Das liegt daran, dass jede einzelne indigene Kultur eine eigene Art zu denken hat, und ihre Häuser jeweils an die unterschiedlichen Gegebenheiten ihrer Umgebung anpassen. Die Häuser in denen sie leben, sind Teil ihrer Kultur.
Die Art und Weise wie sie ihre Häuser bauen, nutzen und aufteilen zeigt, wie sie ihr Leben organisieren. Die Struktur des Hauses hängt von verschiedenen Umständen ab, wie z.B. der Lebensweise der indigenen Gruppe, die Materialien die zur Verfügung stehen, den Wetterkonditionen der Region und der Umwelt in der sie leben.
Welche Form haben indigene Häuser?
Manche Häuser sind rund, manche rechteckig, andere fünfeckig oder oval… Auch das Aussehen eines Dorfes variiert von Volk zu Volk. In manchen indigenen Gesellschaften führte der Kontakt mit Nicht-Indianern zu zahlreichen Veränderungen im Aussehen der Dörfer und einzelner Häuser, weil neue Materialien beim Bau verwendet werden. Je näher die Dörfer an Städte der Weißen angrenzen, desto mehr weichen sie optisch von den traditionellen Bauformen ab. Manchmal wird Baumaterial nicht mehr selbst hergestellt, sondern in speziellen Läden gekauft, wie beispielsweise Ziegelsteine. Am Ende sehen sie eher aus wie Häuser von Nicht-Indianern.
Stimmt das auch für Dörfer, die weit entfernt von Städten sind?
Ja. Diese Veränderungen haben in manchen der entlegeneren Häuser stattgefunden, aber wenn sie in der Nähe von Städten liegen, werden sie einander immer ähnlicher. Wo Dörfer an Städte angrenzen, findet auch mehr Austausch zwischen Indianern und Nicht-Indianern statt. Manchmal werden Häuser mit Materialien gebaut, die in speziellen Läden gekauft werden, wie beispielsweise Ziegelsteine. Am Ende sehen sie eher aus wie Häuser von Nicht-Indianern.
Das Yawalapiti-Dorf
Die Yawalapiti leben im südlichen Teil des Parque Indígena Xingu, auch bekannt als „Oberer Xingu“. Wie alle Dörfer in der Region ist das Yawalapiti-Dorf kreisförmig. Die Häuser sind um einen zentralen Platz herum angelegt. Auf diesem Hauptplatz halten sich nur Männer auf. Auf dem Platz steht das Männerhaus.
Wie sehen die Yawalapiti-Häuser aus?
Verschiedene Teile ihrer Häuser beziehen sich auf verschieden Körperteile von Menschen oder Tieren. Die Fassade des Hauses wird beispielsweise als Brustkorb interpretiert. Die Rückseite ist die Wirbelsäule. Die Tür ist der Mund, und die Grundpfeiler sind die Beine.
Die Häuser sind für alle da. Das heißt, sie werden von verschiedenen verwandten Familien gemeinsam bewohnt. Die Häuser unterscheiden sich in der Größe, entsprechend der Anzahl der Bewohner. Innen sind sie normalerweise so aufgeteilt: Es gibt einen Platz für die Küche; einen Vorratsraum für die Nahrungsmittel, der sich meist in der Mitte des Hauses befindet, und einen anderen Raum, wo Besucher empfangen werden und getanzt wird. Die Leute schlafen meist in Hängematten, die an den Hauswänden befestigt werden. Nachts werden die beiden Türen aus Holz und getrockneten Blättern geschlossen. Unter den Hängematten werden kleine Feuer angezündet, damit es im Haus warm ist.
Was ist das Männerhaus?
In den Dörfern vieler verschiedener indigener Gruppen gibt es ein spezielles Haus nur für Männer. Das Männerhaus ist kein Wohnhaus, sondern ein Ort, wo sich die Männer treffen und Rituale abhalten. Frauen ist der Zutritt oder die Teilnahme an den Ritualen nicht gestattet. Dies sind Tätigkeiten der Männer. Unter indigenen Völkern ist es üblich, dass bestimmte Tätigkeiten nur von Männern, andere nur von Frauen ausgeübt werden. Das Männerhaus ist dafür ein gutes Beispiel.
Die Dörfer der Karajá
Die Karajá haben Dörfer in den brasilianischen Bundesstaaten Goiás, Mato Grosso, Pará und Tocantins. Ihre Häuser sehen denen der Nicht-Indianer entlang der nahen Flüsse sehr ähnlich! Vor langer Zeit hatten die Karajá keine festen Dörfer. Während der Regenzeit, wenn der Fluss Araguaia steigt, wurde ein Dorf auf den höchsten Ufern gebaut. Die Häuser waren aus Holz mit Dächern aus getrockneten Blättern. Die Dächer reichten bis zum Boden und umschlossen die Häuser ganz. So schützen sie die Bewohner vor Wind und Regen. In der Trockenperiode wurde das Dorf ans Ende des Flusses verlegt, wo es leichter war zu fischen und Nahrung zu finden. In der trockenen Jahreszeit wurden einfachere Häuser als in der Regenzeit gebaut. Immer jedoch waren die Häuser in Reihen angeordnet, mit Blick auf den Fluss. Das Haus in der zweiten Reihe war das Männerhaus. Es wurde auch “Casa de Aruanã” oder “Casa do Bicho” genannt. Dort trafen sich die Männer, u. a. um die Jungen zu unterrichten.
Sind ihre Dörfer heute anders?
Viele Angehörige der Karaja wurden in einem Massaker getötet. Deshalb gaben sie ihren traditionellen jährlichen Umzug auf und hörten auf, Häuser an verschiedenen Orten in verschiedenen Jahreszeiten zu bauen. Heute sind ihre Häuser quadratisch oder rechteckig. Sie haben feste Erdböden und Dächer aus Holz und getrockneten Blättern der Babaçu-Palme. Die Wände sind aus getrockneten Blättern und haben keine Fenster. Die Ritzen zwischen den getrockneten Blättern lassen Licht und frische Luft herein und den Rauch hinausziehen. Innen sind die Häuser nicht nach Zimmern aufgeteilt. Die räumliche Aufteilung ist durch Bodenmatten gekennzeichnet. Jede Matte bestimmt, wo die Familie nachts schläft und arbeitet oder sich während des Tages ausruht. In manchen Dörfern gibt es Häuser mit Steinwänden, die von der brasilianischen Regierung gebaut wurden. Aber die Leute, die dort wohnten, verließen sie wieder und entschieden sich für Häuser aus trockenen Blättern. Das lag daran, dass die Steinhäuser gebaut wurden ohne das lokale Klima zu berücksichtigen. Ein noch größeres Problem war, dass diese Häuser in Form und Aussehen keine Rücksicht nahmen auf die gesellschaftlichen und kulturellen Sitten des Volkes der Karajá.
Die Dörfer der Xavante
Heute leben über 13.000 Angehörige der Xavante in neun Bezirken auf dem indigenen Gebiet des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso. Die Xavante waren viel auf Wanderschaft. Sie lebten an vielen verschiedenen Orten. Ein Dorf bildete den Ausgangspunkt, aber die meiste Zeit des Jahres durchwanderten sie ihr Gebiet und schlugen vorübergehende Lager auf. Wenn sie nicht draußen unterwegs waren, lebten sie in ihrem Hauptdorf, wo sie unter anderem in ihren Gärten arbeiteten. Einige der großen Städte im Bundesstaat Mato Grosso sind dort entstanden, wo sich bereits frühere Generationen der Xavante niedergelassen hatten.
Gibt es viele Xavante-Dörfer?
Heute gibt es ca. 165 Dörfer. Wenn irgendwie möglich, liegen sie an Stellen, wo sich zwei Flüsse treffen. Die Dörfer sind hufeisenförmig angelegt und zum breiteren der beiden Flüsse ausgerichtet. Ihre temporären Lager hatten dieselbe Form. Der “Warã” ist der Hauptplatz, wo sich die Männer treffen, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Frauen und Kindern ist es nicht erlaubt, an diesen Besprechungen teilzunehmen
Wie sehen die Häuser der Xavante aus?
Traditionelle Xavante-Häuser sind aus Holz und bis zum Boden mit getrockneten Blättern bedeckt. Sie stehen hufeisenförmig eng beieinander. Der einzige Eingang zu jedem Haus schaut zur Dorfmitte. Im Inneren des Hauses hat jede Familie ihren festen Platz, der durch Matten markiert wird.
Diese Familienräume sind um eine zentrale Feuerstelle herum angelegt, wo sich alle treffen. Heute jedoch haben sich die Xavante-Häuser verändert. Sie haben gedeckte Dächer und ähneln mehr den Häusern von Nicht-Indianern, die in der brasilianischen Ebene leben. Manchmal sind sie quadratisch, mit schrägen Dächern, manchmal rund mit kegelförmigem Dach.
Die Wajapi-Dörfer
Die Wajãpi leben in den brasilianischen Bundesstaaten Amapá und Pará sowie in Französisch Guyana. Für gewöhnlich bauen sie ihre Dörfer in der Nähe von kleinen Flüssen. Das ermöglicht ihnen zu fischen und zu jagen, Feldfrüchte anzubauen und Material zu finden, das sie für den Hausbau brauchen. Wenn die natürlichen Nahrungsmittel, die sie zum Leben benötigen, zu Ende gehen, verlassen sie ihre Dörfer und bauen woanders ein neues Dorf.
Wie sehen Wajãpi-Dörfer aus?
Auf den ersten Blick sehen alle Wajãpi-Dörfer unterschiedlich aus. Es gibt kein einheitliches Erscheinungsbild. Die Häuser scheinen nicht auf bestimmte Weise angeordnet zu sein. Aber beim näheren Hinsehen erkennt man, dass die Häuser nach Familiengruppen sortiert sind. Wajãpi-Dörfer bestehen üblicherweise aus Gärten und Versammlungsplätzen. Die Häuser sind um diese Plätze herum gebaut. Ein einzelnes Dorf kann aus einem Platz mit ein paar Häusern darum herum bestehen, und manchmal gibt es auch mehrere Versammlungsplätze. Dies hängt von den Familienbeziehungen ab. Die Familienmitglieder leben meist nah zusammen.
Und wie sehen die Häuser aus?
Es gibt zwei Haustypen. Eines für Bewohner, die ein Haus längerfristig bewohnen, und eins für den vorübergehenden Gebrauch. Temporäre Lager werden während Jagd-Expeditionen errichtet. Die Häuser sind einfach. Sie sind gerade groß genug, um die Hängematten zu beschirmen. Einfache Häuser werden auch in der Nähe der Gärten errichtet, damit die Mütter in der Nähe ihrer neugeborenen Kinder sein können. Oder sie werden als Küchen-Haus neben den komfortabler ausgestatteten permanenten Häusern gebaut.
Bleibende Häuser unterscheiden sich in der Größe. Ihr Aussehen entspricht der Tradition. Sie sind rechteckig, aus Holz gebaut und die Dächer sind mit getrockneten Blättern gedeckt. Heute sehen die Häuser eher aus wie die von Nicht-Indianern. Sie haben Türen mit Schlössern, und innen gibt es Steinwände, die die Räume trennen. In der Mitte des Hauses werden Hängematten aufgehängt, und an einer Seite brennt immer ein Feuer. Das Essen wird außerhalb des Hauses zubereitet, entweder in einem separaten Küchenhaus oder über einem Feuer im Freien. Das Innere des Hauses dient vor allem zum Essen und Ausruhen. Familien bleiben immer zusammen. Bei bestimmten Gelegenheiten treffen sich alle Familien auf dem Dorfplatz. Sie feiern gemeinsame Feste und essen zusammen. Bei diesen Anlässen bleiben Männer und Frauen getrennt.
Was sagen die Tuyuka über ihre Häuser?
Die Tuyuka leben in der oberen Region des Rio Negro im Nordosten des Amazonas Sie sprechen eine Sprache aus der Familie der Tukano-Sprachen. Es gibt ungefähr 825 Tuyuka in Brasilien, weitere 570 in Kolumbien.
Weißt Du, wie sie früher gelebt haben und wie sie heute leben? Der nachfolgende Text stammt aus dem Buch Histórias Tuyuka de rir e de assustar (Lustige und erschreckende Geschichten der Tuyuka) aus dem Jahr 2004. Finde heraus, was sie uns zu erzählen haben.
Das heilige Haus oder „Maloca”
Vor langer Zeit haben alle indigenen Gruppen am Rio Negro große Häuser gebaut, die sie “Maloca“ nannten. Einige Familien lebten zusammen in diesen Häusern. Sie waren groß genug für bis zu zehn Familien. Während eines Rituals oder eines Festes repräsentierte die Maloca das ganze Universum. Der Fußboden stand für die Erde, die Säulen waren die Berge und hielten das Dach, das den Himmel symbolisierte. Auf dem Boden der Maloca floss ein unsichtbarer Fluss von West nach Ost. Das war die Quelle des Lebens. Heute gibt es keine Malocas mehr.
Dies liegt daran, dass die römisch-katholischen Missionare eine besonders gewalttätige Methode hatten, die Indianer in dieser Gegend zu konvertieren. Sie verboten den indigenen Gruppen, in Malocas zu leben. Stattdessen bestanden die Missionare darauf, dass jede Familie ihr eigenes Haus baute.
(Text: Tuyuka-Gemeinschaften von Pari Acima am oberen Rio Tiquié)
Informationsquellen
- Catherine Gallois
Wajãpi rena: roças, pátios e casas (2002).
- Dominique Tilkin Gallois
Patrimônio cultural imaterial e povos indígenas (2006).
- Julio Cezar Melatti
Índios no Brasil (2007).
- Cristina Sá
Observações sobre a habitação em três grupos indígenas brasileiros, do livro Habitações Indígenas (1983).
- Associação Escola Indígena Utapinopona Tuyuka, FOIRN e Instituto Socioambiental (ISA)
Histórias Tuyuka de rir e de chorar (2004).