Jeder spielt gern. Kinder können ganze Tage damit verbringen, zu spielen und sich zu vergnügen. Und auch viele Erwachsene mögen es. Wann immer sie können, kommen sie zu Sport und Spiel zusammen. Es gibt viele verschiedene Arten zu spielen, aber der Schwerpunkt ist immer derselbe – gemeinsam mit Freunden das Beste aus einem besonderen Moment zu machen. Spielen kann helfen, Fähigkeiten zu entwickeln, die für den Rest des Lebens wichtig sein können. Spielen ist tatsächlich eine Methode zu lernen!
Indigene Völker vergnügen sich mit allen möglichen Arten von Spielen und Objekten. Manche sind weit verbreitet unter ganz verschiedenen indigenen Völkern. Manche Spiele gibt es auch in der nicht-indianischen Bevölkerung, wie z. B. das Ballspiel Peteca, das Kinder in ganz Brasilien kennen, oder der Stelzenlauf. Andere sind ungewöhnlich und nicht so weithin bekannt. Es gibt Spiele, die nur von Kindern gespielt werden, und es gibt welche, bei denen auch gern Erwachsene mitmachen und ihren Kindern zeigen, wie man am besten gewinnt.
Es gibt Spiele für Jungen und es gibt Mädchenspiele. Für manche Spiele braucht man eine bestimmte Ausstattung. Wenn man diese nicht hat, kann man nicht mit dem Spiel beginnen. Erst muss man in den Wald gehen und dort das notwendige Material finden, um daraus die nötige Ausstattung herzustellen. Aber das hat alles seinen Sinn, denn die Herstellung der Spielelemente ist ja bereits Teil des Spiels!
Hier erfährst Du etwas über das Spielzeug und die Spiele verschiedener indigener Gruppen!
Spielzeug und Spiele der Kalapalo
Die Kalapalo leben im Süden des Parque Indígena Xingu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Sie haben viele Spiele und Arten, sich zu vergnügen. Sie spielen allein und in Gruppen. Manche ihrer Spiele sind ernsthafte Wettbewerbe, andere sind Rollenspiele. Manche werden auf dem Hauptplatz des Dorfes gespielt, andere im Wasser oder draußen im Wald. Es gibt Spiele, bei denen auch Erwachsene mitspielen, Spiele ausschließlich für Kinder, und gemeinsame Spiele für Kinder und Erwachsene.
An fast jedem Morgen gehen Kinder hinaus und fangen schon sehr früh am Tag an zu spielen. Sie spielen ungefähr bis 8 Uhr. Dann laufen sie nach Hause, um bei den täglichen Aufgaben zu helfen. Mädchen helfen ihren Müttern und älteren Schwestern bei der Zubereitung von Maniok. Außerdem helfen sie, ihre jüngeren Geschwister zu beaufsichtigen. Jungen helfen bei der Herstellung von Gegenständen und begleiten ihre Väter beim Fischen.
Am späten Nachmittag spielen die Jungen für gewöhnlich Fußball. Sie bauen sich Tore und Bälle selbst, gespielt wird meist mitten im Dorf. Aber wenn das Kwarup-Ritual begangen wird (das verschiedene indigene Gruppen im Parque Indígena Xingu einhalten), müssen sie einen anderen Spielplatz finden. Während das Kwarup-Ritual stattfindet, wird der Dorfplatz für einen Kampf namens „Ikindene“ gebraucht.
Hier erfährst Du einiges über Ikindene und andere Spiele der Kalapalo!
Ikindene
Ikindene ist ein traditionelles Spiel im Sinne der Kampfsport-Kunst, das von den Kalapalo praktiziert wird. Es wird während der Kwarup-Zeremonie gespielt, bei der Menschen aus verschiedenen Dörfern zusammenkommen. Teilnehmer sind ausschließlich Männer. (Es gibt ein anderes Ritual, „Jamugikumalu“, an dem nur Frauen teilnehmen). Je zwei Ikindene-Teilnehmer kämpfen auf dem zentralen Versammlungsplatzes des Dorfes. Ihre Körper sind bemalt und mit Gürteln, Knöchelbändern, Muschelketten und Bündeln aus Wolle, die um Arme und Knie gewunden werden, geschmückt. Das Spiel wird sehr ernst genommen. Frühere Gewinner fürchten, von Anfängern besiegt zu werden, und Anfänger fürchten Verletzungen. Ikindene erfordert Stärke, Mut, Ausdauer und Konzentration.
Das ganze Jahr über trainieren die Männer für die Kämpfe, die während des Rituals stattfinden. Bei Ikindene versucht jeder, seinen Gegner niederzuschlagen. Ein Kampf kann auch beendet werden, indem das Bein des Gegners mit der Hand berührt wird. Gewinner ist der, der entweder das Bein seines Gegners berührt oder dem es gelingt, ihn ganz niederzuschlagen.
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Ta
Bevor Ta gespielt werden kann, muss man die Ausstattung dafür herstellen. Das heißt, man muss eine Art Rad aus getrockneten Blättern bauen. Dieses Rad wird mit Embira-Kork (aus der Rinde eines Baumes, der vor allem in Steppengebieten wächst) bedeckt. Der Kork muss grün sein. Dieser Kork wird „ta“ genannt – daher hat das Spiel seinen Namen.
Das Ziel des Spiels ist, den Ta mit Pfeil und Bogen zu treffen. Gespielt wird in zwei Teams. Jedes Team steht in einer Reihe, weit genug auseinander. Ein Spieler ist der Werfer. Er wirft den Ta in die Luft, dem gegnerischen Team entgegen. Der Ta fliegt hinter die Gegner. Sobald der Ta den Boden berührt, versucht einer nach dem anderen ihn mit den Pfeilen zu treffen.
Wenn keiner das Ziel trifft, wechseln die Teams ihre Positionen. Aber wenn es einem gelingt, den Ta zu treffen, hat sein Team einen weiteren Schuss frei und der Werfer muss vorübergehend das Spiel verlassen und wird von einem anderen Spieler ersetzt. Ta erfordert Erfahrung im Umgang mit Pfeil und Bogen, Kraft und Konzentration.
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Heiné Kuputisü
Dieses Spiel verlangt große Ausdauer und ein gutes Gleichgewichtsgefühl. Jeder Teilnehmer muss auf einem Bein hüpfen und darf das Bein nicht wechseln. Eine in die Erde gekratzte Startlinie und die 100 Meter entfernte Ziellinie markieren den Weg, der hüpfend zurückgelegt werden soll.
Wer den ganzen Weg hüpfend zurücklegt, gilt als Sieger. Wer es nicht schafft, muss noch mehr trainieren. Auch wenn Schnelligkeit nicht wichtig ist, versucht doch jeder, so schnell wie möglich zu sein. Aber der beste Gewinner ist der, der den weitesten Weg zurücklegt. Jungen und Männer spielen das Spiel inmitten des Dorfes.
Schau den Film an, in dem Leute das Spiel Heiné Kuputisü trainieren. Beim Training sind immer zwei Personen am Start. Jeder der beiden tritt für sein Team an.
Toloi Kunhügü
Dieses Spiel findet am Ufer eines Sees oder Flusses statt. Wer auf die Idee kommt, dieses Spiel zu spielen, muss so tun, als sei er ein Falke. Dieser leitet das Spiel. Der „Falke“ zeichnet einen großen Baum in den Sand. Er hat viele Äste. Die anderen Kinder spielen „kleine Vögel“. Jeder kleine Vogel sucht sich einen Ast aus, baut auf ihm ein Nest und bleibt dort sitzen. Der Falke muss die kleinen Vögel fangen, deshalb verlassen sie ihre Nester und versammeln sich in kurzer Entfernung vom Baum. Sie stampfen mit den Füßen und ärgern den Falken, indem sie ein Lied singen.
Der Falke nähert sich langsam. Wenn er sehr nah ist, macht er einen Sprung und versucht die Vögel zu fangen. Sie rennen in alle Richtungen weg und schlagen Haken, um den Falken zu verwirren. Wenn sie eine Pause brauchen, können sie zurück in die Sicherheit ihrer „Nester“ flüchten. Wenn es dem Falken gelingt, einen Vogel zu fangen, darf das jeweilige Kind nicht mehr mitspielen. Sie müssen an einer bestimmten Stelle stehen bleiben, in der Nähe des Baumstammes. Der letzte kleine Vogel wird der Falke des nächsten Spiels. Toloi Kunhügü ist ein Spiel, das viele Fähigkeiten fördert, wie Konzentration, Reaktionsvermögen und Beweglichkeit.
Schau den Film an!
Spiele der Yudja
Die Yudja sprechen eine Sprache aus der Tupi-Sprachfamilie. Einige der Yudja leben in einer Gruppe von sechs Dörfern nahe des Flusses Xingu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Andere leben am anderen Ende des Flusses in der Nähe der Stadt Altamira im brasilianischen Bundesstaat Pará.
Der folgende Text wurde von Kindern aus dem Dorf Tuba Tuba geschrieben, gemeinsam mit Leuten, die für das Xingu/ISA Programm arbeiten.
Wir sind Yudja-Kinder aus dem Dorf Tuba Tuba im Parque Indígena Xingu in Mato Grosso. Wir Jungen aus dem Dorf spielen gern mit Pfeil und Bogen. Zuerst lernen wir von unseren Großvätern, Vätern, älteren Brüdern und Freunden, wie man kleine Bogen baut.
Wir bauen Bogen und Pfeile aus allen möglichen Materialien, nur um damit zu spielen und zu lernen, wie man damit schießt. Das Schwierigste daran ist, die Feder am Ende des Pfeils so festzumachen, dass er gerade fliegt. Wir gehen mit unseren Vätern zum Fischen. Wir gehen auch allein fischen, unten am Fluss. Aber wenn die älteren Männer auf die Jagd gehen, dürfen wir nicht mit, weil es zu schwierig ist, mit ihnen mitzuhalten.
Wir haben einen Pfeil-und-Bogen-Wettkampf, bei dem wir sehen können, wer der Beste ist.
Wir basteln gern kleine Flugzeuge. Wir nehmen Blätter von den Bäumen, um Rotoren zu bauen, wie die von einem Hubschrauber.
Wir Mädchen basteln gern Perlenarmbänder und Ketten.
Daheim helfen wir unseren Müttern und kümmern uns um unsere jüngeren Brüder und Schwestern, kochen Fisch und machen Brei. Indem wir helfen, lernen wir, diese Dinge selber zu machen.
Wir helfen auch in den Gärten und tragen Maniok, Kartoffeln und andere Sachen vom Feld nach Hause.
Wir holen Wasser vom Fluss, um zu kochen und zu waschen. Wir waschen schon Kleider und Geschirr, wenn wir noch sehr klein sind. Wir lernen, wie man den Körper anmalt, und wie man Teller und Kochtöpfe aus Ton herstellt. Wir spielen gern Fangen im Fluss, rutschen das Flussufer hinunter und malen Tiere oder Menschen in die Erde. Wir machen auch Kreisel aus den Samen der Tucumã-Palme.
Wir spielen mit Fäden.
Wir haben auch Lieder für Klatsch-Spiele und Kreis-Spiele. Abends spielen wir gern auf dem Versammlungsplatz im Dorf und singen die Lieder zu unseren Spielen oder Lieder, die die Leute bei unseren Festen singen.
Wir besuchen die Schule in unserem Dorf. Wir lernen in unserer Sprache und auf Portugiesisch. Wir hören Geschichten. Die Älteren im Dorf kommen und erzählen uns Geschichten während der Unterrichtsstunden.
Galibi-Kreisel aus Oiapoque
Die Galibi leben in Oiapoque, hoch im Norden von Brasilien. Sie wanderten in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus Französisch Guyana ein. Ursprünglich kommen sie aus dem Gebiet des Flusses Mana, aber dann ließen sie sich am rechten Ufer des Flusses Oiapoque nieder, im Norden des brasilianischen Bundesstaates Amapá. Der größte Teil der Galibi lebt heute wieder in Französisch Guyana. Dort sind sie bekannt als Volk der Kaliña.
Zwei Galibi-Jungen, Valdo und Donato, versuchen Kreisel aus den Samen der Tucumã-Palme zu bauen. Das sind besondere Kreisel, weil sie “singen”, wenn sie sich drehen. Valdo und Donato versuchen es so zu machen, wie es ihnen ihr Vater gezeigt hat. Zuerst suchen sie die am besten geeigneten Samen. Dann bohren sie kleine Löcher hinein. Dann werden die Innenseiten der Samen gesäubert und ausgekratzt, bis sie ganz hohl sind. Aber leider wollen sich ihre Kreisel nicht drehen! Geschweige denn, dass sie irgendeinen Ton von sich geben. Sie haben irgend etwas falsch gemacht. Also stecken sie die Kreisel in ihre Hosentaschen und warten, dass ihr Vater nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Wald zurückkommt.
Als ihr Vater Miguel endlich kommt, wirft er einen Blick auf die Kreisel seiner Söhne. Er sagt ihnen, dass er ihnen zeigen wird, wie man es richtig macht, aber sie müssten sich bis zum nächsten Tag gedulden.
Valdo und Donato leben in dem Dorf São José. Es besteht aus acht Holzhäusern, umgeben von Mangobäumen, Cashew- und Guavenbäumen, Kürbispflanzen und anderen in Brasilien bekannten Bäumen, wie Jenipapo, Tucumã und Inajá. Eine Handvoll Kinder lebt hier. Sie spielen gern die Spiele, die sie bei den Kindern in der Stadt Oiapoque gesehen haben, zum Beispiel spielen sie mit Petecas (Federbälle, die mit der flachen Hand geschlagen werden) und mit Papierdrachen. Aber sie haben von den Älteren im Dorf auch gelernt, traditionelle Spielzeuge herzustellen. Zu diesen gehören die singenden Kreisel aus den Samen der Tucumã-Bäume.
Wie versprochen, zeigt Miguel seinen Söhnen, was sie tun müssen. Er erklärt nicht alles. Er baut einfach einen Tucumã-Samenkreisel, und sie schauen genau zu. Sie beobachten ihn und basteln zusammen mit ihrem Vater einen neuen Kreisel. Sie sprechen nicht, stellen keine Fragen und bitten nicht um Hilfe. Und dieses Mal funktioniert es! Alle Kreisel drehen sich und singen gleichzeitig.
Der Lärm macht Seu Geraldo, den Dorfältesten, auf die beiden aufmerksam. Er kann seine Freude nicht verbergen, als er seine Enkel spielen sieht – mit dem Spielzeug, das er als Kind am liebsten hatte. Seinen Enkeln beschreibt er, wie sie Kreisel-Wettkämpfe abhielten, als er jung war.
Viele Kinder kamen zusammen, jedes brachte seinen eigenen “Fane“ (so heißt ein Tucumã-Samenkreisel in der Kaliña-Sprache) mit. Vier Kinder zogen an den vier Ecken einer Hängematte, so dass diese ganz glatt und gerade war. Die anderen drehten ihre Kreisel auf dem Stoff. So begann ein Fane-Wettbewerb. Ziel war es zu sehen, wessen Kreisel sich am längsten drehte, ohne umzukippen oder von der Hängematte zu fallen.
Wenn die Dorfälteren Geschichten wie diese erzählen, lernen die Kinder, wie man das Spielzeug herstellt und wie man es benutzt. So wird das Wissen von einer Generation zur nächsten weitergegeben.
Die Stelzen der Xavante
Im Allgemeinen lieben es Kinder zu zeigen, wie groß und stark sie sind. Oft sieht man, wie sie mit Gesten übertreiben, um ihre Größe und Stärke zu beschreiben. Vielleicht ist das einer der Grunde dafür, dass Kinder auf der ganzen Welt so gern auf Stelzen laufen.
Wenn die Kinder aus einem der Xavante-Dörfer im brasiliansichen Bundesstaat Mato Grosso mit Stelzen spielen wollen, gehen sie zuallererst in den Wald. Sie nehmen Macheten mit und müssen ihr Spielzeug erst finden. Es wartet dort auf sie, aber versteckt an einem besonderen Baum des Waldes. Es kann Stunden dauern, bis sie einen Ast finden, der lang und gerade genug ist und der eine Y-förmige Gabel an einem Ende hat, die weder zu eng noch zu weit ist (denn das braucht man, um den Fuß darauf setzen zu können). Ihre Suche wäre viel einfacher, wenn ihr Dorf nicht mitten in der brasilianischen Steppe liegen würde, einer Region, die mit niedrigen Bäumen mit kurvigen Stämmen bewachsen ist.
Wenn sie endlich den richtigen Ast gefunden haben, stehen sie vor der nächsten Herausforderung. Sie müssen einen zweiten Ast finden, der zum ersten passt. Diese “Stelzenjagd” im Wald kann den ganzen Morgen dauern. Das Fußteil an der Stelzengabel ist meist so geformt, dass die Kinderfüße nicht parallel zum Boden stehen können.
Ihre Füße müssen sich nach innen drehen. Das ist beim Stelzenlauf ein wenig unbequem. Aber die Xavante-Kinder zeigen gern ihre Stärke und Schlauheit. Sie fordern sich gegenseitig heraus, um zu sehen, wer am weitesten gehen kann, ohne umzufallen.
Der ganze Tag vergeht, ohne dass die Kinder ein neues Spiel anfangen. Für sie ist ein Spiel pro Tag genug.
„Hol den Maniok raus"
Dieses Spiel gehört zur Lieblingsunterhaltung in vielen indigenen Gemeinschaften, auch wenn es nur wenige Nicht-Indianer kennen. Es ist so beliebt, weil man dabei stark sein muss! In den brasilianischen Bundesstaaten Espírito Santo und São Paulo nennen die Guarani-Kinder das Spiel “Arranca Mandioca” (“Hol den Maniok raus”). Das ist so, weil das Spiel ein wenig an das Sammeln von Maniokwurzeln erinnert – eine Tätigkeit, die indigene Kinder gut kennen.
Wenn sie beschließen, das Spiel zu spielen, versammeln sie sich in der Nähe eines Baums und stellen sich eng in einer Reihe auf, die Hände auf den Schultern des Vordermanns. Dann gehen sie in einer Reihe bis zum Baum und setzen sich auf den Boden. Der erste in der Reihe greift nach dem Baum. Die anderen umklammern die Arme und Beine des Vordermanns. Ein Kind, das sehr stark sein muss, hat die Aufgabe, die “Maniokwurzel herauszuziehen” – nämlich die Kinder. Der erste in der Reihe (der, der den Baum umfasst) ist der „Besitzer der Maniokplantage“. Sie erteilen die Erlaubnis, eine „Maniokwurzel“ nach der anderen aus dem Boden zu ziehen. So werden die Kinder aus der Reihe gezogen, mit aller Kraft, die notwendig ist, um sich zu befreien. Bei den Guarani ist jede erdenkliche Strategie erlaubt, um die Kinder aus der Reihe zu zerren. Man darf tricksen, mit den Beinen ziehen oder eines der Kinder um Hilfe bitten, das schon befreit ist.
Bei den Xavante-Kindern wäre es undenkbar zu tricksen. In der brasilianischen Steppe, wo diese Kinder leben, nennen die Jungen und Mädchen dieses Spiel “Tatu” (das portugiesische Wort für “Gürteltier”). Deshalb, weil es sehr schwierig ist, ein Gürteltier zu fangen, wenn es sich in sein Loch zurückgezogen hat. Wie sehr man sich auch anstrengt, niemand kann ein Gürteltier mit bloßen Händen herausziehen. Man kann es am Schwanz ziehen, aber es wird sich in der Erde festkrallen und niemand wird es freibekommen!
Die Xavante legen großen Wert auf Stärke, Klugheit, Raffinesse und Mut. Auch wenn Xavante-Kinder spielen, sind diese Eigenschaften immer wichtig. Bei dem Spiel Tatu zum Beispiel lassen die Kinder nur dann einen Mitspieler einen anderen aus der Reihe ziehen, wenn er es aus eigener Kraft schafft, „das Gürteltier herauszuziehen“.
Dieses Spiel ist in jeder Situation ein großer Erfolg, und es wird gelacht von Anfang bis Ende.
Peteca
Ein Peteca ist eine Art Federball, der mit der flachen Hand geschlagen wird. Das Wort “Peteca” hat seinen Ursprung in der Sprache der Tupi. Es bedeutet “klatschen oder schlagen mit der Hand”. Heute ist es der am meisten verbreitete Name für dieses Spielzeug, das von Kindern in ganz Brasilien gespielt wird. Wie früher müssen die Kinder warten, bis es Erntezeit wird, um das Spielzeug zu basteln. Dann verwenden sie trockene Maisblätter und flechten daraus verschiedene Gebinde und Knoten und machen daraus Petecas in verscheidenen Formen und Größen.
Hier findest Du Informationen, wie Petecas von verschiedenen indigenen Gruppen hergestellt werden.
Senhor Toptiro ist der Chef des Xavante-Dorfs Abelhinha im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso. Er sagt, ein Spiel pro Tag sei genug, um Kinder glücklich zu machen. Für Menschen, die in den großen Städten leben, wo Zeit, Bewegung und alle Aktivitäten sich immer mehr beschleunigen, mag es unglaublich klingen, dass eine Gruppe von vier bis dreizehn Jahre alten Kindern und Jugendlichen sich den ganzen Tag mit nur einem einzigen Spiel beschäftigt.
Aber hinauszugehen, um in einem der Dorfgärten trockene Blätter zu finden, ist für die Kinder eine Reise voller Abenteuer. Dann müssen sie aufmerksam und geschickt sein, um ihre trockenen Blätter in gute Petecas zu vewandeln. Sie brauchen Zeit um hinzusehen, zu experimentieren, Fehler zu machen, sie zu korrigieren und zu lernen.
Senhor Toptiro lächelt verschmitzt, als er sich inmitten einer Gruppe von Jungen und Mädchen wiederfindet, die die Bewegungen seiner starken, alten Hände nachmachen, um die trockenen Blätter zu einem „tobdaé“, dem traditionellen Peteca der Xavante, zu drehen. Senhor Toptiro gebraucht nicht nur seine Augen und Finger, sondern auch seine Zehen. Er zieht eine Schnur aus getrockneten Buriti-Blättern durch die Zehen. Dann zieht er sie durch die enge Spirale, die den Boden des Spielzeugs zusammenhält. Diese Form unterscheidet sich von anderen Peteca-Varianten, die nachfolgend beschrieben werden.
Wenn der Xavante-Peteca fertig ist, ist er ein leichtes, bewegliches Spielzeug. Und es wird in einem Spiel verwendet, das dieselben Qualitäten vom Spieler verlangt: Leichtigkeit und Beweglichkeit.
Das Spiel ist eine Variante von "catch" oder "it". Es wird mit sechs Tobdaés gespielt. Die Fläche, auf der die Kinder spielen, ist nicht begrenzt. An jedem Spiel sind jeweils zwei Personen beteiligt. Jeder Spieler beginnt mit drei Tobdaés. Ziel ist es, mit ihnen den Gegner zu bewerfen, während man gleichzeitig den Würfen des Gegners ausweicht. Wenn man von einem Tobdaé getroffen wird, fliegt man aus dem Spiel. Ein neuer Spieler nimmt den Platz ein und das Spiel beginnt von vorn.
Immer wenn der Mais im Dorf geerntet wird, beginnen mit großem Spaß die Peteca-Wettkämpfe. Es ist ein Spiel, das in verschiedenen Formen in den indigenen Dörfern von der Steppe, wo die Xavante leben, bis zum atlantischen Wald im Bundesstaat São Paulo, wo die Guarani zu Hause sind, gespielt wird.
Der Guarani Name für ein Peteca lautet „Mangá“. Dies ist der echte Vorfahre der Petecas, mit denen Kinder überall im Bundesstaat São Paulo spielen. Für ihre Petecas verwenden sie sowohl für die Innen- als auch für die Außenseite Maisblätter.
Mit Maisblättern werden die Peteca auch gefüllt. Sie halten die runde Grundfläche zusammen und sie werden benutzt, um Federn in einer festen Schlinge zu befestigen. Nicolau ist ein sehr beliebter Guarani-Lehrer. Er spielt Mangá mit den Kindern in seiner Gemeinschaft. Sie haben ein anderes Peteca-Modell, das “yó” genannt wird. Es wird nicht aus getrockneten Maisblättern hergestellt. Man nimmt einen Maiskolben, der in der Mitte halbiert ist. Zwei gleiche Hühnerfedern werden sorgfältig an dem Maiskolben befestigt. Sie lassen das Spielzeug drehen wie die Rotorblätter eines Hubschraubers. Die Herausforderung besteht darin zu sehen, wer sein yó am weitesten wirft.
Dies sind einige Beispiele für die verschiedenen Möglichkeiten, wie indigene Gruppen Petecas herstellen. Sie zeigen, dass der Peteca genauso verbreitet unter der indigenen Bevölkerung ist wie bei den Nicht-Indianern.
Schnurfiguren und Schnurspiele
Kinder und Erwachsene überall auf der Welt wissen, wie man Fadenmuster mit den Händen legt. Mit ihren Händen erschaffen sie Bilder aus dem alltäglichen Leben: ein Besen, ein Stern, eine Hängematte, ein Haus, ein Hühnerfuß, ein Fisch, ein Diamant, ein Ballon, eine Fledermaus… Sie kennen auch überraschende Zaubertricks, wie beispielsweise das Halsabschneiden, oder zwei Fäden, die mit dem Mund zusammengeknotet werden, jemandes Hand durch eine Schnur führen, Knoten mit einem einzigen Zug auflösen, mit den Füßen zaubern und vieles mehr.
Über 600 Wapishana-Indianer mit wenig mehr als 100 Familien leben in dem Dorf Canauanim im brasilianischen Bundesstaat Roraima. Unter ihnen ist Dona Júlia, die Mutter von “tuxaua“, dem Dorf-Vorsteher.
Dona Júlia kennt viele Geschichten. Sie lehrt die jungen Leute im Dorf, wie man Baumwolle mit einem Werkzeug aus Schildkrötenpanzer spinnt. Wenn sie eine Anzahl von guten, weißen Baumwollknäueln gesponnen hat, webt sie daraus Hängematten. Und mit den Wollresten macht sie gern Figuren und Zaubertricks. Ihre Verwandten und Enkelkinder schauen zu, wie sie am Ende eines Fadens einen Knoten macht und beginnt, Zaubertricks vorzuführen.
Auf diese Weise, von Hand zu Hand und oft von den Großeltern zu den Enkelkindern, werden Fadenfiguren und Fadenspiele zwischen Kulturen weitergegeben, breiten sich unter verschiedenen Völkern aus und entwickeln überraschende neue Muster!
Eines von Dona Juliás Lieblingsspielen ist der Zaubertrick “Matar Carapanã”. Das heißt so viel wie “Töte die Mücke”.
Diesen Trick kennen auch die Kalapalo, die im Parque Indígena Xingu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso leben. Sie nennen ihn “Ketinho Mitselü”. Die Kalapalo verwenden ein langes Stück Faden, der aus den getrockneten Blättern der Buriti-Palme gedreht wird. Dies wird zusammengeflochten und am Ende verknotet. Sie weben den Faden schnell mit den Fingern und erzeugen lauter verschiedene Muster. Sie machen Tiere, Figuren aus indigenen Sagen, und spielerische Bilder von Dingen aus dem täglichen Leben.
Erwachsene Männer und Frauen wissen, wie man alle Arten von komplizierten Fadenmustern knüpft. Kinder machen einfachere Muster. Aber alle können die Muster in unglaublicher Geschwindigkeit legen. Die Kinder knüpfen Fadenfiguren und geben sie weiter in die Hände eines Freundes. Der Freund verändert das Muster und verwandelt es wieder zurück. Fadenmuster machen Spaß und fördern gleichzeitig die Kreativität, das Gedächtnis und Aufmerksamkeit gegenüber Details.
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Informationsquellen
- Renata Meirelles
Giramundo e outros brinquedos e brincadeiras dos meninos do Brasil (2007).
- Marina Herrero
Jogos e brincadeiras do povo Kalapalo (2006).
Na Internet